Natur pur
Wir fahren am Spätnachmittag noch einmal los. Wohin die Fahrt geht, wissen wir nicht genau. Es ist die Rede von einem Park.
Zunächst fahren wir südwärts, dann Richtung Osten die Interstate 72 entlang. An einem Kontrollhäuschen zahlen wir an einen Ranger sechs Dollar Eintritt für das Auto. Bei herrlichem Fotolicht haben wir den Myakka River State Park erreicht – ein Naturschutzgebiet.
Langsam fahren wir den Weg unter urwaldähnlichem Bewuchs entlang. An einem kleinen Parkplatz hält Aaron an. Wir steigen aus und gehen zu einer flachen Brücke. Der Blick auf eine wunderschöne Flusslandschaft eröffnet sich. – Beim nächsten Blick von der Brücke kommt Respekt auf: zahlreiche Alligatoren liegen im Wasser und beobachten die Oberfläche und die Umgebung. Wir sind sehr beeindruckt! Und vorsichtig.
Wir sehen Eltern, die Mühe haben, ihren Kindern klar zu machen, dass hier keinesfalls auf dem niedrigen Geländer geturnt wird.
Ein gute Weile schauen wir dem Geschehen ringsum zu und geniessen den Anblick der Natur, der Tiere, das reizvolle Licht, die Ruhe. Es sind nicht mehr viele Besucher hier. Fünf Ibisse kommen geflogen und lassen sich am Ufer nieder. Florida abseits von Städten, Strassen, Stränden, Touristenattraktionen. Ein zauberhafter Abschiedsabend.
Wie im richtigen Leben passiert natürlich Unvorhergesehenes. Am rechten Ufer hat ein junges Ehepaar mit Kindern eine Angel ausgeworfen. Als ich noch überlege, warum ich das komisch finde, beißt ein stattlicher heller Fisch an und wird hochgezogen. Der zappelnde Fisch ist das augenblickliche Startsignal für einen der Alligatoren. Er prescht aus dem Wasser. Die Angler schreien: „…the alligator…“, lassen die Angel los und suchen das Weite. Zielstrebig stürzt der Alligator auf den Fisch zu, schnappt ihn und zerknirscht ihn vor unser aller Augen und Ohren. Dann begibt er sich gemächlich ins Wasser zurück, bäumt sich dabei einmal kurz auf und schwimmt davon. Nach etwa fünf Minuten liegt er mit seinem Artgenossen genauso still und beobachtend an gleicher Stelle wie zuvor. Die Aufregung bei den Besuchern legt sich. Am Ufer stolziert jetzt ein junger Vogel an den Alligatoren vorbei. Doch sie würdigen ihn keines Blickes. Zu klein, oder sind sie satt? Oder „Welpenschutz“, wer weiß?
Das Angeln ist hier nicht gestattet – und schon gar nicht anzuraten. Erstaunlich, dass Einheimische hier manchmal etwas sorglos sind. Es hat Besucher gegeben, die mit ihrem Hund am Ufer spazieren gingen und später den Hund vermissten. Eine Frau erzählt, dass am vorigen Sonntag ein Reh vor aller Augen einem Alligator zum Opfer fiel.
Langsam bekommen wir Hunger. Der Imbiss hier im Park ist schon geschlossen. Wir fahren also zurück zur Flaniermeile von Sarasota, wo meine Nichte ein uriges Restaurant kennt. Auf der Rückfahrt durch den Park sehen wir Rehe grasen und sogar einen großen Truthahn. Alles wird abgerundet durch eindruckvolles Abendrot. Florida zieht noch einmal alle Register.
An unserem letzten Abend landen wir so wieder am St. Armends Circle – im Restaurant „Coconuts“. Das Essen schmeckt hervorragend und die Stimmung ist bombig. Einzige Beanstandung – man kann sein eigenes Wort nicht verstehen und schon gar nicht das des Gesprächspartners.
Müde, glücklich, wehmütig. Morgen geht es nach Hause!
Sehr schön geschrieben und illustriert !
Vielen Dank. 🙂